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Die wichtigen Dinge des Lebens

Titania, Stadt, Handelszentrum und Schmelztiegel. Gedankenverloren ließ Vanyar seinen Blick über die vertrauten Haine, Türmchen und Häuser der verschiedensten Macharten und Formen gleiten. Er selbst stand, wie so oft in den letzten Wochen hoch oben in einem der höchsten Türme der Zitadelle und dachte nach. Er suchte nach Antworten auf seine zahllosen Fragen und genoss die Ruhe des entlegenen, einsamen Ortes.

Handelsmeister....Schmiedemeister...Handwerksmeister....Meister...Worte, deren Klang allein ihn schauern ließen. Vieles hatte sich nicht so entwickelt, wie er es sich erträumt hatte. Sicher, der Kontakt mit den vielen anderen Völkern und Rassen bereitetem ihm große Freude, konnte er doch hier seine ungebrochen große Neugier ausleben. Andererseits fehlte ihm oft die Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens. Er kam in den letzten Jahren immer seltener dazu, die regelmäßig stattfindenden Feste und Feiern zu besuchen. Einige seiner engsten Freunde hatte er schon länger nicht mehr gesehen oder was fast noch schlimmer war, er lief manchen täglich über den Weg ohne Zeit für eine Unterhaltung oder ein Glas Wein zu finden.

Frau und Sohn, die für den Trubel in Titania nur wenig übrig hatten, versuchte er so oft als möglich zu treffen. Da sich beide jedoch oft in den Wäldern im Tieflandstreifen aufhielten, kam es häufig vor, dass er seine Wohnstatt verlassen vorfand. Und jedes Mal musste er sich selbst ermahnen, sich ins Gedächtnis rufen, dass er, Vanyar, es war, der ein Leben außerhalb der Gemeinschaft führte, nicht seine Freunde, seine Familie, die in von der Natur vorgezeichneten Wegen lebten. Diese seltenen Momente der bedrückenden Einsamkeit ließen den Waldelfen frösteln und wünschen er hätte seinen Wald, seine Schmiede nie verlassen, um Finyen und den Naturgeistern in Titania als Handelsmeister zu dienen.

Ebenso war es um seine Leidenschaft, sein Handwerk, das Schmieden bestellt. So sehr er sich auch mühte, zumindest an den Sonnentagen, wie sie die Menschen nannten, seine Schmiede aufzusuchen, um mit seinen Händen neue Werkstücke zu ersinnen und zu schaffen, es gelang ihm nur selten. Erschreckender Weise zeigten seine Hände bei den letzten Arbeiten an Esse und Amboss eine schon fast kränkliche Empfindlichkeit gegen das Feuer und die Hitze.

Leise seufzend löste Vanyar den Blick von seinen schlanken Händen und sah erneut über die weiten Haine der Stadt.

"Ob all seine Arbeit überhaupt Sinn machte"? Jedes mal mündeten all seine Gedanken schlussendlich mit beängstigender Regelmäßigkeit in diese Frage.

Der Posten des Handelsmeisters der Naturgeister war wohl eher eine Art von Kuriosum, sowohl in den Augen der Gesandten, als auch in denen vieler Naturgeister. Handel, so wie ihn die anderen Völker praktizierten war in den Augen der Naturgeister bestenfalls amüsant.
Meist beantworteten sie entsprechende Ansinnen von Händlern entweder unverständigem Kopfschütteln oder wortlosem Staunen. Es erforderte einige Übung und Erfahrung, mit jenem Wertesystem, dass die Bahuuni Währung nannten, zurecht zu kommen. Zu viel Mühe in den Augen der meisten Naturgeister.

Vanyar jedoch hatte nach anfänglichen Misserfolgen schnell gelernt. Hierbei kam ihm seine lange zurückliegende Jugend, die er gezwungenermaßen unter den Bahuuni verbracht hatte zu Statten. Damals hatte er gelernt, dass Metallscheiben Werte darstellen konnten. Warum das allerdings so war und warum sich die Menschen hier ausgerechnet ein so weiches Metall wie Gold ausgesucht haben, erschloss sich ihm bis zum heutigen Tage nicht.

Trotzdem oder gerade wegen all dieser Widrigkeiten bereitete ihm seine Aufgabe nach all den Jahren immer noch viel Freude. Mit kindlicher Begeisterung brütete der Waldelf oft Tage und Wochen über irgendwelchen Anfragen und anderen offiziellen Schriftstücken und jeden Tag aufs Neue ließ er sich, meist von Menschen, immer jedoch von Bahuuni, den besonderen Wert des Goldes und die Nützlichkeit des Geldes erklären.

Vanyar kannte all ihre Argumente und konnte je nach Laune jedes davon ad Adsurdum führen. Doch meist belohnte er die wortreichen und oft verzweifelten Bemühungen der Handels,- und Kaufleute der verschiedensten Völker mit langsamen und nichts desto trotz bedeutsamen Verstehen. Man erwartete von Naturgeistern, dass sie unfähig waren zu handeln und der Waldelf hatte vor langer Zeit gelernt, dass es leichter war mit Bahuuni umzugehen, wenn man ihnen das Gefühl von Überlegenheit schenkte. Und diese scheinbare Überlegenheit war wohl auch der Grund, weshalb so viele Händler zur Blüte am Binnenmeer kamen.

Mit unter machte sich in den Tavernen rund um den Marktplatz, in Sichtweite der Stehle eine Art von Goldgräberstimmung breit. Gerüchte, die Naturgeister hätten kostbare Gewürze gegen Tand eingetauscht oder würden wertvolle Schürfrechte verschenken, hatte so manchen Glücksritter nach Titania gelockt. Jedoch nur die weisen und besonnenen hatten Erfolg, andere hingegen konnten sich nicht einmal ihre geistige Gesundheit erhalten, während sie mit Vanyar oder einem der anderen Naturgeister ihre Verhandlungen führten. Denn bei aller Scharade und zur Schaustellung von offensichtlichem Unvermögens nach menschlichen Maßstäben zu handeln. Eines vertrat Vanyar mit jeder Faser seines Seins.

Gold ist ein Fluch, der vor langer Zeit über die Menschen kam, um sie zu verführen, zu verderben und schließlich zu vernichten.

Aus dem Grund bemühte er sich einerseits aus all seinen "Geschäften" das Gold herauszulassen, was machen Gesandten schon die Tränen in die Augen und die Zornesröte ins Gesicht getrieben hatte. Gold, welches der Waldelf als Handelsgut annehmen musste, sammelte er in Kisten und Fässern in der Zitadelle. Wenn die Kisten voll waren, wurden sie in aller Verschwiegenheit aus Titania herausgeschafft und gemäß einer alten Abmachung mit dem Wasservolk im Außenmeer versenkt. Die Meerleute hatten eine herzerfrischend vernünftige Einstellung zu Gold und Werten. Blieb nur zu hoffen, dass der Lagerplatz des ganzen Goldes auch wirklich geheim blieb und dass die zahlreichen Zauber und Illusionen ihren Dienst taten. In der Tat würden vermutlich selbst Gerüchte über einen solchen Ort unter den Bahuuni Tumulte und in der Folge wohl auch viel Leid verursachen ...Gold und Leid... beides schien untrennbar miteinander verbunden zu sein.

Ein hohes, aber nichts desto trotz durchdringendes Stimmchen riss den Waldelfen aus seinen melancholischen Gedanken.

"Na sieh mal an, wen wir hier haben" kicherte es hinter Vanyar. "Hab ich dich endlich gefunden "

"Auch dir einen schönen Tag Younani ". Der Waldelf hatte sich schmunzelnd umgedreht und schaute auf einen imposanten goldenen Drachen..mit ca. 50 cm Flügelspannweite...

"Na Younani, warst du wieder beim Jungfrauen retten? Oder warum sonst beehrtst du mich in einer derart monströsen Form?"

Die Nasenspitze des Drachens verfärbte sich leicht rötlich. "Pah, Jungfrauen...so was gibt's ja schon lange nicht mehr", erwiderte der Bücherkobold. "Die Form ist ...ist Zufall...jawoll das ist sie...der Drache hätte ebenso gut silbern sein können oder rot oder blau...oder..

"Younani", unterbrach Vanyar die Gedanken des Kobolds, "du wolltest etwas von mir?"
"Ähm ja, unten in der Zitadelle vor dem Zimmer wo dran steht, dass dort ein Handelsmeister wohnt, ja dort wartet ab und zu ein Mensch", gab sie fröhlich zurück. "Und ich glaub der Mann ist irgendwie unglücklich", fügte sie bedeutungsschwer hinzu.

Vanyar runzelte die Stirn. "Unglücklich? Wie kommst du darauf?"

"Najaaa...also mit mir spielen wollt er nicht. Und hmm schreckhaft isser auch. Und dabei war ich beim unterhalten nur etwas faul und bin halt in dem Buch geblieben, in seinem Buch, das er wohl geschrieben hatte. Irgendwas mit Schiffen und Ladungen und schrecklich vielen Zahlen."

Schwer atmend fuhr sie fort, "Stell dir vor Vanyar, in dem ganzen dicken Buch fast nur Zahlen, aber keine Jungfrauen, keine Drachen, nicht mal das kleinste bisschen sinnvolle und gute Geschichten."

Der kleine Drache schien sich nun in Theatralik zu ergehen und eine bedeutungsschwangere Miene jagte die nächste. In der Tat eine sehenswerte Vorstellung.

"Das war wohl auch der Grund, warum er so mürrisch und unglücklich war, als er in das Buch geschaut und immer noch mehr Zahlen hinein geschrieben hat", fuhr der Bücherkobold fort.

So langsam dämmerte es Vanyar, was wohl vorgefallen war. "Und du hast dich erbarmt und hast was mit dem Buch angestellt"?

Das purpur um die Schnauze des offensichtlich verlegenen Drachen war nun wirklich von einer bemerkenswerten Reinheit als Yoiani antwortete. "Nunja, ich habe seine ganzen Zahlen genommen, hab sie sauber geordnet und hab dann alle gleichen Zahlen auf je eine Seite draufgepackt. Das waren 10 Seiten, eng beschrieben. Dann noch mal so 10 Seiten für die ganzen Schiffsbildchen und die Wörter wie Gold, die sich so schrecklich oft wiederholt haben.

Nun machte der kleine Kobold offensichtlich eine bedeutungsschwere Kunstpause.

Lächelnd fragte Vanyar pflichtschuldig nach, "und weiter?"

Sich stolz in Positur streckend gab Younani zurück. "Dann hab ich die nun leeren Seiten mit meiner Lieblingsgeschichte gefüllt. Die mit dem goldenen Drachen und der Jungfr.....och Mann...du hast mich erwischt...dabei wollt ich mich bestimmt nicht wieder einmischen, aber Vanyar, mal ehrlich, Jungfrauen können doch unmöglich gut schmecken. Da ist es doch viel vernünftiger als Drache, wenn man sie adoptiert und zur Bibliothekarin ausbilden lässt. Stimmt doch Vanyar, oder was meinst du?"

Der Waldelf war während Younani eifriger Erzählung lachend zusammengebrochen und schnappte nun mehr oder minder verzweifelt auf dem Boden des kleinen Turmzimmers liegend nach Luft.

"Was denn?", schmollte der Bücherkobold. "Man sollte meinen, dass man von dir eine vernünftige Antwort bekommen könnte auf eine ernst gemeinte Frage. Aaaaber da hab ich mich wohl getäuscht....Na ja Elfen halt", fügte sie noch schnippisch hinzu.

"Nein nein" japste Vanyar mit Tränen in den Augen, "ich finde dein Ende der Geschichte wirklich besser. Nur..wie hat der Gesandte auf sein neues Buch reagiert?"

"Gut, dass du das ansprichst", erwiderte Younani. "Der Mensch hat irgendwie nichts gesagt sondern nur komisch gestarrt. Ich hab schon kurz gedacht, ich hätt die falsche Schrift erwischt und hab begonnen ihm die Geschichte vorzulesen...natürlich mit all seinen Zahlen und Schiffchen... hm da er dann angefangen sich merkwürdig zu verhalten. Er hat immer und immer wieder sein Buch durchgeblättert und dabei sinnloses Zeug über Klabautermänner gemurmelt."

"Klabautermänner? Hast du in deine Geschichte neuerdings Klabautermänner eingebaut?" fragte der Waldelf verwundert.

"Natürlich nicht", gab der Bücherkobold geduldig zurück, "obwohl...hm interessanter Gedanke....hmm Vanyar...guck halt mal wies dem geht, der schüttet glaub ich grad in der Taverne "Zum kichernden Wali" Unmengen an Wein in sich rein."

Noch während der Bücherkobold dies sagte stieg er, immer noch in Drachenform in die Luft auf und steuerte auf ein Turmfenster zu. "Hmm Klabautermänner saßen auf den Rücken zahlreicher goldener hmm nein silberner Drachen...", war noch zu hören, dann war Younani aus Vanyars Sicht verschwunden.

Immer noch leicht bebend vor Lachen machte sich der Waldelf an den Abstieg. Noch während er durch die zahlreichen Höfe und Flure der Zitadelle schlenderte fiel der Schatten seiner Sorgen von ihm ab. Er würde sich unter den Naturgeistern Helfer, Stellvertreter suchen, nahm er sich vor. Auf mehreren Schultern verteilt wäre die Last des Amtes wohl leichter zu ertragen. Mit diesen Gedanken verließ er die Feste und strebte der von Younani beschriebenen Taverne zu.

"Der arme Mann kann nun wohl ein wenig Zuspruch gebrauchen, dachte der Waldelf, als er den verzweifelten Handelsherrn dort fand. Der leicht untersetzte Mann hatte dem Wein gut zugesprochen und untersuchte immer und immer wieder ein in prachtvolles Leder gebundenes Buch, welches ackurat vor ihm lag.

Vanyar würde heute ausnahmsweise schnell lernen und so dem Bahuuni zu seinem Erfolgserlebnis verhelfen. Denn dies war erfahrungsgemäß das einzige, was bei Menschen gegen all zu viel Koboldsmagie half. Diesen Vorsatz fassend bestellte er sich ebenfalls ein Glas Rotwein und steuerte auf den Tisch des Bahuuni zu.

© 09/2004 Vanyar