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Liviand del Awani
Das Schwert der Heilung

"Gnisseldrix, gib endlich Ruhe!" rief Vanyar mit gespielter Verzweiflung. "Ein Schwert zu schmieden, braucht viel Zeit und Ruhe, das geht nicht von heute auf morgen!"

"Was heißt hier von heute auf morgen. Ich warte jetzt schon fast einen Monat auf meinen Schatz!" Der Kobold hockte, wie fast jeden Tag, am Rande der kleinen Esse und beobachtete fasziniert die heiße Glut, die immer wieder unruhig aufflackerte. "Und überhaupt wohnt in der Glut gar kein Feuerkobold. Da ist es kein Wunder, dass alles so lange dauert."

"Nicht schon wieder diese Geschichte," dachte Vanyar und beschloss, dass es so nicht weitergehen konnte. So liebenswert der kleine Kobold auch war, so hinderlich war er auch bei seiner Arbeit in der Schmiede. Etliche Feste und Versammlungen hatte der Schmied im vergangenen Monat nicht besucht, weil er einfach zu müde zum Feiern war. Er musste einen Weg finden, um den kleinen Quälgeist sinnvoll zu beschäftigen. Vanyar hoffte, so etwas mehr Zeit und Muse zu finden, um das Koboldschwert zu vollenden.

Gnisseldrix, der ein guter Beobachter war, sah genau, dass Vanyar in Gedanken versunken war. Und sofort war er um seinen neu gewonnenen Freund besorgt. "Vanyar, fehlt dir was? Kann ich dir helfen? Du musst es nur sagen."

"Nein mein Freund, es ist alles in Ordnung. Ich habe mir nur gerade überlegt, welche Eigenschaften ich deinem Schwert geben muss und was ich dafür benötige."

"Eigenschaften?" fragte Gnisseldrix. "Na ja, es soll glänzen und funkeln und wunderwunderschön soll es sein und gar nicht spitz und auch nicht scharf, damit sich niemand daran verletzen kann. Dann soll es mit bunten Steinen besetzt und auch nicht so groß und schwer sein. Und ein 'Werd- nicht- dreckig- Zauber' wäre auch nicht schlecht, dann muss ich es nicht so oft putzen."

Vanyar, der wegen des Missverständnisses furchtbar grinsen musste, unterbrach die Aufzählung des Kobolds lachend. "Nein, nein, so hab ich das nicht gemeint. Pass auf, ich erklär's dir: Jedem Schwert wird eine Anzahl von Eigenschaft gegeben, indem man Pflanzen oder Tierteile in die Klinge einbettet. Dein Schwert zum Beispiel soll sehr leicht sein. Aus diesem Grund brauchen wir eine große Feder, die ich in das Schwert einbetten kann. Am besten wäre eine Schwungfeder."

"Warum hast du denn das nicht gleich gesagt?" rief der Kobold aufgeregt. "Warte, ich besorg dir eine wunderschöne Feder." Und noch bevor der Waldelf etwas erwidern konnte, war Gnisseldrix aus der Schmiede verschwunden. Vanyar schmunzelte ob des Eifers des kleinen Wesens noch einmal, bevor er einen ungefähr armlangen, graubraunen Ast aus einem Eck der Schmiede holte und ihn mitten in die Glut seiner Esse schob. Das Holz flammte kurz auf, dann aber erloschen die Flammen und der gelbrote Ast fing langsam an blutrot zu glühen. Nach einiger Zeit zog der Schmied das glühende Stück mit einer langen Zange aus der Glut und fing an es vorsichtig auf dem Amboss mit einem kleinen Hammer zu bearbeiten. Das Holz, dessen Maserung deutlich zu erkennen war, schien unter den behutsamen Schlägen des Hammers lebendig zu werden. Die Maserung fing an ineinander zu fließen und bildete immer neue Muster und Formen.

Währenddessen war der kleine Waldkobold zu seinem Schatzversteck unter dem Holunderbusch gerannt. Ganz außer Atem stürzte er in die kleine Höhle und suchte nach der Adlerschwanzfeder, die er immer noch im hintersten Winkel seines geheimen Lagers versteckt hatte. Als Gnisseldrix die Feder schließlich ins Freie brachte, stockte ihm der Atem und sein kleines Herz drohte stehen zu bleiben. Die Feder, sein Schatz, vollkommen verdreckt. Außerdem waren Teile der Feder umgebogen und standen vom Kiel ab, wie Gnisseldrix Haare von dessen Kopf. "Oh nein," seufzte der Kobold entsetzt. "So kann ich dich aber nicht zu Vanyar bringen. Das wären ja schöne Eigenschaften, die mein neues Schwert bekommen würde." Der Kobold sprach auf die Feder ein, als ob dies den Dreck davontragen würde.

Schließlich aber beruhigte sich Gnisseldrix etwas und er beschloss, zu retten was zu retten war. Er brachte die Feder zu dem nahegelegenen Bach. Dort angekommen, tunkte er die Feder in das reißende Wasser. Aber der Dreck auf der Schwanzfeder war sogar noch hartnäckiger als der in seinem Gesicht und auf dessen Hände. So mühte sich der Kobold einige Zeit, bis er wegen des kalten Wassers seine Hände nicht mehr spürte. Und da geschah das Unglück. Die Feder, er hatte die Adlerschwanzfeder, seinen noch wertvollsten Besitz losgelassen. Blitzschnell wurde diese von der starken Strömung des Baches erfasst und davongetragen. In seiner Verzweiflung hechtete der Kobold hinter der davontreibenden Feder her. Aber zu spät. Die Feder war längst aus seiner Reichweite geschwemmt worden. Enttäuscht und klitschnass tappte Gnisseldrix zurück ans Ufer und ließ sich auf einem großen, flachen Stein, der von der Sonne beschienen wurde, nieder.

"Oh, Oberon, was habe ich nur getan, um dieses Unglück zu verdienen?" murmelte er, während er versuchte, das immer noch eiskalte Wasser aus seinen Ohren zu bekommen. "Woher soll ich denn nun eine Feder für Vanyar, ich meine für mein Schwert bekommen?"

Eine Weile spielte er mit dem Gedanken, dem Bachlauf zu folgen und zu hoffen, die verlorene Feder wiederzufinden. Aber dazu war es nun zu spät. Er würde wohl oder übel versuchen müssen, eine neue Feder zu besorgen. Also stand er auf und tappte triefend und tropfend auf den Wald zu.

Vanyar hatte unterdessen dem Ast bereits seine erste grobe Form gegeben. Nun wartete er einerseits auf die versprochene Feder. Andererseits überlegte er, wie er es schaffen konnte, Gnisseldrix seltsame Wünsche zu erfüllen. "Ein Schwert, das niemanden verletzen kann," brütete er laut. "Wie soll ich das nur anstellen? Es müsste eine Pflanze geben, deren Eigenschaft genau das ist." überlegte er. Eine solche Pflanze könnte seine Probleme lösen. "Aber woher nehmen?"

Der Schmied entschloss sich, in den Wald zu gehen, um nach dieser einen Pflanze zu suchen. So verließ er seine Schmiede. Er verabschiedete sich kurz von seiner Frau Keo und wandte sich dann zum Gehen. Er durchstreifte in der folgenden Zeit suchend den Wald. Aber er wurde nicht fündig.

Gnisseldrix hatte ihn entdeckt. Dort oben in der mächtigen Eiche hatte der Adler sein Nest. Und genau unter dem Baum hatte er damals die Feder gefunden, um die ihm alle beneidet hatten. Aber so sehr er auch suchte, heute lag keine Feder auf der Erde. Nicht einmal eine kleine. "Was mach ich denn jetzt?" überlegte der Kobold verzweifelt. "Vanyar wartet bestimmt schon auf mich." Er überlegte noch einmal kurz. Dann fing er an, flink die Eiche hinaufzuklettern. Schon nach kurzer Zeit war er unbehelligt unterhalb des Horstes angekommen. "So weit, so gut," dachte er bei sich. "Und jetzt?" Er traute sich nicht so recht, einfach in den Horst zu steigen, um nach einer Feder zu suchen. Aber was sollte er denn sonst tun? Etwa warten, bis wieder einmal eine zu Boden fällt? "Nein, auf keine Fall," dachte er trotzig, dann nahm er seinen ganzen Mut zusammen und lugte vorsichtig über den Rand des riesigen Horstes.

Der Schmied hatte es derweil aufgegeben. Eine solche Pflanze, wie er sie suchte, gab es nicht. Aber zwei Möglichkeiten blieben ihm noch. Zum einen konnte er nach Thyrin Elomain gehen und dort die Druiden um Rat fragen. Zum andern blieb ihm auch noch die Möglichkeit, nach Ker odThalan zu gehen, um das Problem mit den Meisterschmieden der anderen Völker zu besprechen. Vanyar entschloss sich zunächst einmal zu den Druiden seines Volkes zu gehen, da der Weg nach Thyrin Elomain bei weitem kürzer war als der zu den Meisterschmieden. So wanderte er voller neuem Mut zu der Hauptstadt seines Volkes.

"Niemand zu Hause." Der Kobold schnaufte hörbar aus. Nicht dass er etwas gegen die großen, mächtigen Adler hatte. Im Gegenteil, er fand sie sogar sehr schön, wenn sie weit über dem Dach des Waldes ihre Kreise zogen. Aber er wusste nicht, wie sie reagieren würden, wenn sie ihn, einen Kobold, in ihrem Horst entdecken würden. Und auf so eine Erfahrung konnte Gnisseldrix getrost verzichten. Er vergewisserte sich nochmals, dass kein Adler in der Nähe war, da kletterte er gewandt in das Nest und begann sofort damit, die im Nest zahlreich vorhandenen Federn einzusammeln. Dann verließ er den Horst genauso schnell, wie er ihn betreten hatte. Flugs kletterte er den Stamm hinunter und betrachtete anschließend stolz seine Beute. Acht große Federn. Und eine schöner als die andere. "Das wird bestimmt für eine ganze Menge Schwerter reichen." schnaufte er zufrieden und ging zurück zum Waldelfendorf. Als er gegen Abend dort eintraf, war Vanyar verschwunden. Gnisseldrix lief sofort zu Keo, die am Fuße von Vanyars Baum saß und mit ihrem Baby spielte.

"Du, Keo," sprach er die Elfe an, "Vanyar ist nicht in seiner Schmiede." "Ich weiß," entgegnete Keo, "er ist nachmittags in den Wald, um irgend eine merkwürdig Pflanze zu suchen. Er wird schon zurückkommen, wenn er sie gefunden hat." "Und die Federn?" fragte Gnisseldrix etwas enttäuscht, "Schau doch, wie viele Federn ich gefunden habe! Vanyar soll sich doch die beste aussuchen, damit das Schwert leicht wird." "Das wird er auch bestimmt tun, wenn er zurück ist." antwortete Keo. "Aber nun ist Essenszeit. Möchtest du mit uns essen?"

Da merkte der Kobold erst, dass er vor lauter Aufregung den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. Gnisseldrix hatte einen Riesenhunger. "Gerne, wenn du noch ein paar Nüsse übrig hast." entgegnete er höflich und war im nächsten Augenblick den Baum zu Vanyars und Keos Wohnung hinaufgeklettert. Als Keo mit ihrem Baby nachkam, saß der Kobold bereits mit vollem Mund auf dem Boden. Vor ihm stand eine große Schüssel mit Walnüssen. Die Federn hatte er zuvor sorgfältig auf Vanyars Lager gelegt, damit sie keinen Schaden nahmen.

Nach dem Essen wurde Gnisseldrix unendlich müde. Er ließ sich wieder zum Boden herab und begab sich zu Eyk, der bereits am Fuße des Baumes zusammengerollt schlief. Der Kobold kuschelte sich wie jeden Abend seit einem Monat in seine Bauchkuhle und war bald darauf eingeschlafen.

Der Waldelf war insgesamt zwei Tage unterwegs, bis er endlich in Thyrin Elomain eintraf. Er musste die Stadt immer wieder bewundern. Nirgends im ganzen großen Wald standen so viele alte und mächtige Bäume wie hier. Besonders der uralte Eisenbaum, der im Zentrum der Stadt stand, hatte es ihm angetan. Vanyar schlenderte durch die parkähnlichen Anlagen und genoss die Ruhe und den Frieden, der von diesem besonderen Ort ausging. Nach einiger Zeit fand er dann auch einige Druiden, denen er sein Problem vortragen konnte. Die Druiden schauten ihn zunächst ungläubig an. Erst als Vanyar ihnen erklärt hatte, für wen das Schwert sein sollte und was für einen Zweck es zu erfüllen hatte, verstanden sie sein Dilemma.

"Da wirst du kein Glück haben," klärte ihn der älteste der anwesenden Druiden auf. "Jede Pflanze und jedes Tier ist von Natur aus bestrebt, sich und damit auch die eigene Art zu schützen. So hat jedes auf Magira vorkommende Lebewesen Verhaltensweisen oder Mechanismen entwickelt, die es ihm erlauben, seine Art zu erhalten. Alles andere wäre auch wider die Natur."

Da Vanyar aber nicht bereit war, aufzugeben, und weiter auf die weisen Männer eindrang, versprachen diese schließlich, sich näher mit seinem Problem zu befassen. Tags darauf wurde der Schmied zur großen Beratungsstätte gerufen.

"Wir haben eine Lösung für dieses ungewöhnliche Problem gefunden," berichteten sie ihm. "Das einzige, was sich jeglichem Leben gegenüber neutral oder sogar freundlich verhält, ist die Essenz der Natur selbst. Wenn es dir gelingt, diese Essenz in dem Schwert zu binden, wird es niemandem möglich sein, mit dieser besonderen Waffe anderes Leben jeglicher Art zu schädigen."

Vanyar, der nicht ganz verstand, was die Druiden meinten, fragte verwirrt: "Und wo finde ich diese Essenz?"

Die weisen Männer mussten wegen der sichtlichen Naivität des Schmiedes schmunzeln. "Nein, Vanyar. Finden kann man diese Essenz nicht. Aber jeder Naturgeist trägt einen Teil dieser alles durchdringenden Kraft in sich. Diese Kraft ist es, die dich am Leben erhält."

"Und was muss ich tun, um einen Teil dieser Kraft in das Schwert einfließen zu lassen?" Vanyar war offensichtlich ziemlich durcheinander.

"Dies mein junger, wissbegieriger Freund, musst du selbst herausfinden." Die Druiden waren plötzlich sehr ernst geworden. "Nur noch eines. Je mehr Naturgeister bereit sind, einen Teil ihrer Kraft dem Schwert zu opfern, um so mächtiger wird diese Waffe sein."

Jetzt verstand der Schmied überhaupt nichts mehr. Eine mächtige Waffe? Genau das war es doch, was er vermeiden wollte. Aber da ihm die Druiden scheinbar nichts mehr zu sagen hatten, verließ er nach einiger Zeit grübelnd die Versammlungsstätte. Und noch am gleichen Tag machte er sich auf, zu seiner Schmiede zurückzukehren.

Als er dort nach weiteren drei Tagen ankam, wurde er von Gnisseldrix bereits sehnsüchtig erwartet. "Vanyar, wo warst du bloß? Ich hab mir Sorgen gemacht. Schau, wie viele schöne Federn ich gefunden habe!" Die Worte sprudelten nur so aus dem kleinen Kobold heraus. Er war so mit sich, den Federn und Vanyars Rückkehr beschäftigt, dass ihm der nachdenkliche, fast schon düstere Blick seines Freundes zunächst nicht auffiel. Erst als er bemerkte, dass er mehr oder weniger ein Selbstgespräch führte, spürte er, dass irgend etwas nicht in Ordnung war.

"Vanyar, hast du Kummer? Los sprich mit mir, ich will dir helfen." Als er immer noch keine Antwort erhielt, fing er an, sich ernsthaft um Vanyar zu sorgen. Er nahm seine ganze Kraft zusammen und brüllte aus Leibeskräften: "Was in Oberons Namen ist denn los mit dir?"

Und endlich schien Vanyar aus seiner Lethargie zu erwachen. Er sah den kleinen Kobold lange an, dann setzte er sich ins Gras und fing an, von seinen Erlebnissen zu berichten. Als er schließlich geendet hatte, sprang Gnisseldrix auf und fing an zu kichern. "Das sieht ihnen ähnlich, einem jungen Waldelfen, der ihren Rat sucht, einen solchen Streich zu spielen. Na wartet, wenn ich das nächste Mal nach Thyrin Elomain komme, könnt ihr euer blaues Wunder erleben."

Vanyar blickte den tobenden Kobold verwundert an. Er wollte eigentlich fragen, was er mit diesen Worten meinte, aber dazu kam er nicht, denn plötzlich setzte Gnisseldrix eine ernst Miene auf und begann, dem verdutzten Schmied von den Geheimnissen des Lebens zu erzählen.

"Vanyar, eine Waffe kann auch mächtig sein, wenn sie nicht Tod und Verderben über andere bringt. Du könntest dem Schwert die verschiedensten Eigenschaften geben. Ich glaube aber, diese Entscheidung musst du allein treffen."

Während der Elf angestrengt über diese Worte nachdachte, beobachtete ihn der Kobold neugierig. Schließlich hellte sich die Miene des Schmieds auf. Er stand, ohne ein Wort zu sagen, auf und ging zielstrebig auf seine Schmiede zu. Dort schürte er die erkaltete Esse wieder an und brachte den Rohling in der frischen Hitze erneut zum Glühen. Dann fing er an, dem Schwert seine endgültige Form zu geben. Dabei sang er immer und immer wieder einen magischen Vers, der normalerweise die Heilung von Wunden beschleunigt.

Gnisseldrix, der wenig später nachkam, setzte sich mit ernstem Blick auf den Fenstersims und stimmte in den Vers mit ein. Dann kamen immer mehr Elfen und auch andere Naturgeister, die anfangs nur neugierig nachsehen wollten, was sich in der Schmiede Merkwürdiges ereignet. Schließlich aber sangen sie alle den Vers im Chor mit, so dass das Lied im ganzen Wald widerhallte. Vanyar sang und schmiedete bis in die späten Abendstunden. Dann aber brach der Gesang plötzlich ab und es wurde ganz still.

Die Augen immer noch auf das inzwischen wunderschöne Schwert gerichtet hauchte er heißer: "Gnisseldrix, die Feder, hol sie, schnell." Der Kobold rannte, so schnell seine kurzen Füße in trugen zu Vanyars Baum. Er kletterte hinauf, betrachtete kurz die acht Federn, nahm eine von diesen in seine rechte Hand und hastete zurück zur Schmiede, wo er die Feder an Vanyar überreichte. Der Schmied nahm die Feder vorsichtig, legte sie auf die immer noch dunkel glühende Klinge und begann, diese mit einem kleinen silbrig glänzenden Hammer in das heiße Metall hineinzutreiben. Inzwischen waren Gnisseldrix und Vanyar wieder allein in der Schmiede, denn die anderen Naturgeister feierten auf dem Dorfplatz bereits ein großes Fest.

"Wieder eine Feier, die ich verpasse." Der Schmied musste grinsen, als er das erkaltete Schwert zum ersten Mal hochhielt und im Mondlicht kritisch betrachtete. Ja, dies war sein Meisterstück. Die Maserung des Holzes war immer noch deutlich zu sehen, obwohl sich die einzelnen Linien in ständigem Fluss befanden. Außerdem schien es, als ob von der Klinge ein weiches bläuliches Licht ausgehen würde.

"Gnisseldrix, wach auf, für heute ist es genug. Lass uns noch etwas feiern und fröhlich sein. Morgen werde ich deinen Schatz vollenden."

Der Kobold, der wirklich nur kurz eingenickt war, rieb sich die Augen und dachte bei sich: "Ja ja, dein 'morgen ist es fertig', kenne ich schon. Aber was soll's. Nach dem, was wir heute vollbracht haben, soll es auf ein oder zwei Tage mehr nicht ankommen."

Die folgenden zehn Tage wurden die schrecklichsten in Gnisseldrix Leben. Zumindest behauptete er das immer wieder lautstark. Denn Vanyar hatte ihm verboten, die Schmiede vor Vollendung des Schwertes noch einmal zu betreten. Der kleine Kobold kam fast um vor lauter Neugierde. Aber schließlich am zehnten Tag rief Vanyar endlich die befreienden Worte: "Gnisseldrix, komm und schau dir deinen Schatz an!". Das ließ sich dieser nicht zweimal sagen. So schnell er konnte hastete er zur Schmiede, wo er bereits von Vanyar und Keo erwartet wurde. Der Schmied übergab mit feierlicher Miene ein Kurzschwert an Gnisseldrix.

Dieser brachte kein Wort heraus, so gerührt und verwundert war er. Das Schwert war leicht wie eine Feder und erstrahlte in bläulichem Licht. Die polierte Klinge funkelte und glänzte in der Mittagssonne, so dass die immer noch in fließender Bewegung befindliche Maserung des ehemaligen Astes zunächst nicht auffiel. Der Griff und die Parierstange waren in Form einer Eiche gefertigt an der zahlreiche Früchte in Form von verschiedenfarbigen Edelsteinen hingen. Der Griff selbst war mit feinem, schwarzem Leder ummantelt.

"Wunderschön, Wunderwunderschön!!! Danke Vanyar, danke. Nein, wie das glänzt. Wunderschön!" Der kleine Kerl kriegte sich gar nicht wieder ein. Er hüpfte und tanzte um die Schmiede herum und betrachtete dabei immerzu das Schwert, sein Schwert.

Als der Kobold nach einiger Zeit wieder zur Ruhe kam, überreichte Keo ihm noch eine kunstvoll verzierte Lederscheide für das Schwert. Gnisseldrix hatte Tränen in den Augen. Er schluckte hörbar und hauchte nur noch einmal: "Danke!" dann versagte ihm die Stimme.

Am Abend, während eines großen Festes, an dem auch Vanyar wieder einmal zufrieden teilnehmen konnte, schwor der Kobold noch, seinen Schatz in den Dienst aller Naturgeister zu stellen. Und er gab der Klinge den Namen:

"Liviand del Awani"
Das Schwert der Heilung

Vanyar
1998