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Ein Arm voller Leben

Es war am Abend eines wunderschönen Tages, als er schweren Schrittes in das Dorf der Steppenelfen kam. Sein wunderschön gearbeiteter Mantel wies deutliche Zeichen einer langen und anstrengenden Reise auf. Seine Farben waren verblichen und man konnte durchgescheuerte Stellen erkennen. Dem Rest seiner Kleidung ging es nicht viel besser. Im Gegensatz dazu stand ein etwa handbreites Stück blauen Stoffes welches sich kunstvoll geknotet um seinen linken Oberarm wand. Jeder, bis auf die Jüngsten, wußte was das zu bedeuten hatte. Irgendwo in der Steppe waren Tiere an Seelenfraß erkrankt, und dieser junge Steppenelf hatte sich aufgemacht, die kranken Tiere zu töten und ihre Körper zu verbrennen. Doch anders wie die meisten Menschen hatte er Anteil an ihrem Leid und Tod.
Ohne nach rechts oder links zu schauen, ging er geradewegs zu einem Kochfeuer und holte aus seiner Umhängetasche eine kleine Holzschüssel. Wie ein Schatten folgte ihm eine für Elfen ungewöhnliche Schwermut und Trostlosigkeit Die Frau an dem köstlich duftenden Topf holte wortlos eine Kelle und füllte ihm seinen Napf und ließ ihn ansonsten in Ruhe. Ein kurzes Nicken war alles was der junge Mann als Dank von sich gab. Ein älterer Elf nahm einen schlichten Mantel und tauschte ihn mit dem sehr fadenscheinigen des Fremden. Die anderen Elfen machten mit dem weiter, was sie taten, als der Elf das Lager betrat. Nur verlegten sie alles in seine Nähe, ließen ihn in Ruhe aber nicht allein. Ruhig und methodisch aß er. Als die Sonne untergegangen war setzten sich die Lagerbewohner noch zusammen bei dem Fremden, redeten und scherzten. Doch niemand gelang es den Mantel aus Traurigkeit in die der Mann gehüllt war zu durchdringen.
Es war schon sehr spät als ein kleiner Junge auf der Suche nach einem Schlafplatz bei seiner Familie zu dem Feuer kam. Als ruhigster Platz zwischen all den Gesprächen lag der fremde Elf. Ohne einen überflüssigen Gedanken zu verschwenden ging der kleine Junge zielstrebig auf ihn zu und kuschelte sich in seinen Schoß und versuchte sich mit dem neuen Mantel zu zudecken. Zuerst schien der Elf gar nicht bemerkt zu haben, was da vor sich ging. Doch dann nach langer Zeit blickte er hinunter in seinen Schoß, in dem der Junge mittlerweile eingeschlafen war. Vorsichtig und unendlich zärtlich nahm er den Mantel und deckte den kleinen Körper zu. Und dann begannen langsam Tränen sein Gesicht herab zu fließen. Nach und nach ebbten die Gespräche ab, und die Lagerbewohner gingen in ihre Zelte um zu schlafen. Als sie am Morgen aufstanden, lag der Kleine noch immer in den Mantel gehüllt am Boden und schlief. Der Fremde war gegangen. An einem kleinem Stab, der neben dem Jungen im Boden steckte, hing eine geknüpfte Schnur. Die Nachricht des Fremden lautete: "Lange hielten meine Arme nur den Tod in Händen, diesmal war es das Leben."
Niemand hat je erfahren, wer der Fremde war, aber der kleine Junge hatte von da ab einen Ehrennamen. Er lautete "Tränen des Lebens" in Gedenken an das Weinen des Fremden.

Lainam
2004