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Das ungleiche Trio

Die Klabautermänner, Windkobolde und Neblinge hatten sein Kommen schon vor Tagen angekündigt. Jalmur, Skalde aus dem Volk der Wali, ein guter Freund der Naturgeister, war endlich angekommen. Niemand verstand, warum die Menschen vor der Stadt ankerten und nicht den Hafen von Titania angelaufen waren, aber dies war wahrscheinlich eine der Sitten der Bahunis, der Sterblichen. Jalmur war vor einem Jahr zum Botschafter seines Volkes in Titania ernannt worden. Seine freundliche, offene Art mit allem Unbekannten umzugehen und seine Bereitschaft sowohl zu lernen, als auch zu lehren, hatte ihn zu einem Freund der Naturgeister werden lassen. So freuten sich nun all jene, die ihn kannten, über seine Ankunft.

Vanyar, der wie einige andere vergebens am Hafen gewartet hatte, ging nun vorbei an der Zitadelle und dem Marktplatz zum Stadttor, welches weit geöffnet die Ankunft Jalmurs erwartete. Als der Waldelf schließlich am Anlegeplatz des walischen Langschiffs ankam, wurden soeben die letzten Güter entladen. Der Kapitän wollte scheinbar so schnell es ging wieder zurück nach Neu-Westergoi, seiner Heimat. Ein merkwürdiges Volk. Man könnte meinen, nach einer so langen Reise würden sie mit Freuden an Land kommen, um mit uns zu feiern. Jalmur hatte einmal erklärt, sein Volk stehe Dingen, die für sie fremdartig oder nicht zu erklären sind, sehr misstrauisch gegenüber und wir Naturgeister sind eben anders als das Volk des Skalden. Aber während Vanyar das Treiben beobachtete keimte in ihm , mit Blick auf Jalmur, die Hoffnung, dass sich dies eines Tages ändern würde.

Nun, während das Langschiff ablegte und in einem eleganten Bogen schnell an Fahrt gewann, ging der Schmied auf Jalmur zu, der zusammen mit zwei Begleitern und Max, seinem Pferd, in einer Traube von begeisterten Naturgeistern stand. Es war gar nicht so einfach, das Gewirr von Feen, Kobolden, Elfen und Zwergen zu durchdringen. Schließlich aber konnte er einen seiner wenigen menschlichen Freunde in die Arme schließen.

"Es tut gut, dich zu sehen, alter Freund. Wie war die Überfahrt?" Jalmur war ob des herzlichen Empfangs, den ihm die Naturgeister bereiteten, sichtlich gerührt. "Gut, sehr gut". Der Wali musst fast schreien, um das Gewirr der verschiedensten Wesen um ihn herum zu übertönen. "Darf ich dir Rodrik und Kjelt vorstellen. Die beiden sind gute Freunde, die sich entschlossen haben, mich zu begleiten." Jalmurs Hand wies zunächst auf einen älteren Menschen, der einen Sack in seinen Händen hielt. In dem Sack tummelten sich einige Feen, die, als sie wieder herauskamen, wunderschöne Holzfiguren in Händen hielten. Die Miniaturen zeigten verschiedenste Tiere, die zum Teil bunt bemalt waren. Rodrik freute sich sichtlich über den Eifer, den die kleinen Wesen an den Tag legten, um eines der Tierchen zu ergattern. Kjelt, Jalmurs zweiter Begleiter zeigte den krassen Gegensatz zu Jalmur und Rodrik. Der Hüne, der Vanyar bestimmt um Haupteslänge überragte und auf eine riesige Axt gestützt dastand, war kreidebleich anzusehen. Der Schweiß floss ihm in Strömen über den muskelbepackten Körper und wann immer er von einem der anwesenden Naturgeister berührt wurde, zuckte er unmerklich zusammen. Der Mann musste Höllenqualen ausstehen. Vanyar beschloss, dem Wali zu zeigen, dass auch er willkommen war. Normalerweise zeigten die Bahunis bei Elfen die wenigste Scheu, da sie ihnen am ähnlichsten waren. Der Waldelf klopfte Kjelt auf die Schulter. "Hab keine Angst, du bist unter Freunden. Die Feen und Kobolde freuen sich nur und sind etwas ausgelassen". Der Wali zuckte zusammen und sprang einen Schritt zurück. Dann sagte er etwas in der rauen, kantigen Sprache seines Volkes. Vanyar, der kein Wort verstand blickte ob der überraschenden Reaktion zu Jalmur. "Was hat er gesagt? Habe ich etwas falsch gemacht?". Jalmur warf Kjelt einen scharfen Blick zu. "Nein Vanyar, alles in Ordnung. Du musst wissen, Kjelt hat nie zuvor in seinem Leben Naturgeister gesehen. Feen und Kobolde sind für ihn Figuren aus Märchen und Legenden. Er ist einfach nur erschrocken."

Vanyar überlegte kurz, dann erwiderte er: "Ich glaube, ich bringe euch zuerst einmal zu euerem neuen Zuhause. Dort habt ihr Zeit, um auszuruhen". Der Waldelf wandte sich um, um mit einigen Elfen zu Zwergen zu sprechen. Kurze Zeit später hatten die Naturgeister Jalmur Gepäck verteilt und gemeinsam gingen sie in Richtung des großen Stadttores.

Nachdem sich der Tross in Bewegung gesetzt hatte, verschwanden etliche der Feen und Kobolde wieder. Jalmur war schlicht uninteressant geworden und Rodriks Sack war leer. Sie trafen auf den Weg , der kürzlich angelegt worden war, um Neu-Descaer mit Titania zu verbinden. Einige ehemalige Flüchtlinge strömten aus dem Baumtor. Ihre Mienen waren meist fröhlich, ganz anders als bei ihrer Ankunft vor zwei Jahren. Sie hatten sich gut eingelebt und angepasst. Anderen würde dies ebenso gelingen ,dachte Vanyar und sein Blick begegnete dem von Kjelt, der wachsam und nervös hinter Jalmur folgte.

Nach dem Tor wurde zunächst Max auf eine Weide geführt, so wie es bei uns Sitte ist. Zwar musste das Tier bestimmt keine schweren Lasten tragen, aber eine grüne Weide und frisches Wasser taten bestimmt auch ihm gut. Vanyar wählte dann einen etwas längeren Weg zu Jalmurs neuem Haus, um diesem bei der Gelegenheit gleich einiges über Titania zu erzählen.

"Dies eben war die Hauptstraße. Wenn du ihr folgst, gelangst du geradewegs zum Marktplatz und zur Zitadelle. Dort im Zentrum der Stadt regiert der Rat von Titania. In den nächsten Tagen wirst du bestimmt eingeladen, damit auch der Rat dich und deine Freunde angemessen begrüßen kann." Während des restliches Weges erzählte Vanyar weiterhin von den Hafenanlagen, dem Marktplatz mit der Stehle, den Handwerksbetrieben und den vielen Wirtshäusern. Jalmur, der neben dem Waldelfen ging, hörte die ganze Zeit aufmerksam zu.

Schließlich erreichten sie ein verspielt wirkendes, verwinkeltes und mit Türmchen übersätes Steinhaus am Rande des Stadtzentrums. Das dreistöckige Gebäude war mit Efeu und anderen Kletterpflanzen überwachsen. Hinter dem Haus lag eine weitläufige Weide, die lediglich mittels Büschen und Sträuchern begrenzt war. Vor dem Haus lag unter großen, schattenspendenden Eichen und Kastanien ein kleiner Teich, der fast zur Hälfte mit Seerosen bedeckt war. Der Eingang zu dem Haus war mit einer kunstvoll verzierten Holztür versehen, die lediglich halb geschlossen war. Links neben dem Eingang stand eine kleine Bank. Rodrik, der mit einem anerkennenden Nicken die Türe betrachtet hatte, zeigte plötzlich überrascht zu der Bank und sagte etwas zu Jalmur. "Vanyar, Rodrik fragt sich, ob ihr das Holz für die Bank nicht vielleicht lange genug gelagert habt. Aus den Seiten und der Lehne sprießen frische Triebe." Vanyar verstand zunächst nicht, worauf der Wali hinaus wollte. "Gelagert", gab er die Frage verwundert zurück. "Der Baum lebt doch, warum sollte man ihn lagern?". Jalmur aber verstand nun. "Ist gut Vanyar, Rodrik dachte, das Holz sei tot, daher die Frage." Anschließend gab er auch Rodrik eine Antwort, worauf dieser erstaunt die Augenbrauen hochzog, während Kjelt, der immer noch hinter dem Skalden stand, einen eher verzweifelten Ton von sich gab.

"Also, schau dir dein neues Haus an und sag mir, wie es dir gefällt." Der Schmied schob den Wali förmlich ins Haus. "Schön, wirklich sehr schön, etwas groß vielleicht, aber doch, hier werden wir uns bestimmt wohlfühlen. "Gut, dann lasse ich euch nun in Ruhe. Euer Gepäck findet ihr vor dem Haus. Wir werden uns bestimmt in den nächsten Tagen noch einmal sehen. Außerdem findet demnächst wieder unser jährliches Fest statt. Du kommst doch?" Jalmur, der immer noch sein neues Heim betrachtete, wandte sich um. "Natürlich komme ich. Und dieses Mal werde ich vielleicht sogar einige Freunde mitbringen."

"Gut, also nochmals. WILLKOMMEN IN TITANIA."

Vanyar
1999